Wirkmechanismen, wissenschaftliche Evidenz, Leitlinien und Empfehlungen
Christoph Justinger, Michael Stoffel, Robert Pfitzmann, Martin E. Kreis, Thilo Schwandner, Axel Kramer
Zwischen 370.000 bis 940.000 Menschen erkranken hierzulande jährlich an Krankenhausinfektionen. Einer aktuellen Hochrechnung zufolge liegt die Zahl der durch nosokomiale Infektionen verursachten Todesfälle bei etwa 10.000 bis 20.000 pro Jahr. Krankenhäuser und Gesundheitssysteme erfahren durch nosokomiale Infektionen eine hohe finanzielle Mehrbelastung – nach aktuellen Veröffentlichungen kosteten Krankenhausinfektionen das europäische Gesundheitssystem 2008 mindestens sieben Milliarden Euro, für Deutschland wurden 2011 die Mehrkosten auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt.
Das verwendete Nahtmaterial spielt bei der Entstehung postoperativer Wundinfektionen eine nicht unerhebliche Rolle. Der Einsatz von antiseptisch beschichtetem Nahtmaterial zur Vermeidung dieser Komplikation wurde bislang in über 50 Studien und 17 Metaanalysen untersucht. Dieser Beitrag erörtert die Evidenzlage und gibt einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen.
Antiseptisches Nahtmaterial – Zusammenfassung und Fazit
SSI mindern die Lebensqualität der betroffenen Patienten und führen zu erhöhten Versorgungskosten. Ein Faktor, der zur Entstehung von SSI beitragen kann, ist das Nahtmaterial, das Bakterien einen potentiellen Ausgangspunkt bietet. Durch die antimikrobielle Wirkung etwa von Triclosan bietet antiseptisch beschichtetes Nahtmaterial eine Möglichkeit, diesen Effekt zu reduzieren. In über 50 Originalstudien wurde der Effekt von Triclosan-beschichtetem Nahtmaterial im Vergleich zu unbeschichtetem Nahtmaterial auf die Wundinfektionsraten bei unterschiedlichen Eingriffsarten untersucht. Nicht alle Studien kommen zum selben Ergebnis, was durch die Heterogenität der Studienpopulationen, der Eingriffsarten, der mikrobiellen Ätiologie und der Qualität der Studien zu begründen ist. Der Großteil dieser Studien legt jedoch nahe, dass sich mit Triclosan-beschichtetem Nahtmaterial die SSI-Raten verringern lassen. Ein kleinerer Teil der Studien konnte einen positiven Effekt von Triclosan-beschichtetem Nahtmaterial nicht nachweisen oder fand in ganz wenigen Fällen einen leicht negativen Trend. Allerdings fand sich bei keiner der 52 Studien ein statistisch signifikantes Ergebnis zu ungunsten antiseptisch beschicheteten Nahtmaterials. 17 Metaanalysen zeigen durchweg positive Ergebnisse zugunsten von antiseptisch beschichtetem Nahtmaterial (13 statistisch signifikant, 4 mit positiven Trend): die Risikoreduktion für SSI beläuft sich danach auf 19 bis 39 Prozent. Auf Basis dieser Evidenzlage sprechen sich mehrere Fachgesellschaften weltweit im unterschiedlichen Ausmaß für den Einsatz von antiseptischem Nahtmaterial aus.
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